Samstag, 9. April 2016

AnnenMayKantereit: Alles nix konkretes (2016)


Bemerkenswerte Band, sehr schöne Lieder, aber eine übervorsichtige Produktion




Eine Band, die ich noch gar nicht so lange kenne, ist „AnnenMayKantereit“ sie kommen aus Köln, und werden gerne als „Deutschlands erfolgreichste unbekannte Band“ bezeichnet. Ich hab von der Band nun schon öfters gehört und konnte mir lange Zeit nichts darunter vorstellen, dank Liveberichten und YouTube-Videos wurde ich dann aber auf die Jungs wirklich aufmerksam. Deutschsprachige Musik höre ich immer wieder gerne, vor allem die von Jennifer Rostock, welche allerdings auch wieder anders als diese hier ist. Ihr neues Album machte mich (als Jennifer Rostock-Fan) dann neugierig auf ihre Musik und ihren Output. Die Musik ist im Gegensatz zu Jennifer Rostock nicht bombastisch bzw. fett und vielleicht auch weniger rockig. Aber das machen die vier Jungs mit eine großen Portion an Fingerspitzengefühl wieder wett. Irgendeiner bezeichnete mal ihre Musik als „tanzbare Melancholie“ – das trifft es aber auch nur zum Teil, wie ich finde. Auffällig ist die tiefe, raue, markante Stimme von Sänger/Pianist Henning May. Man stellt sich zuerst irgend so einen kräftigen Sänger mit Bart vor und entdeckt dann einen ganz normalen Menschen. Sieht man dem Guten beim Singen zu, entdeckt man immer seine angeschwollene Halsschlagader – sieht immer etwas gefährlich aus. Also lange Rede und kurzer Sinn: Das Album landete dann eines Tages in meinem Briefkasten und wurde ausgiebig gehört. Die Qualität der Songs bewegt sich irgendwo zwischen gut und ausgezeichnet. Viele Lieder sind wirklich sehr gut! Die Themen der Songs handeln von ganz alltäglichen Dingen wie Liebe, Trennung, Verlust und Sehnsucht – und manchmal sind es gerade solche Songs die mir dann sehr gefallen und unter die Haut gehen. Offenbar wurde von Henning May auch vieles autobiographisch in den Songtexten verarbeitet.


Alleine schon der erste Song „Oft gefragt“ ist ein gutes Bespiel dafür! Ich kann das Lied gar nicht oft genug hören – Hennings Stimme und sein Klavierspiel würden mir auch völlig ausreichen. Sofort war die Gänsehaut da! Solche Songs sind einfach ehrlich und kommen vom Herzen. Interessanterweise ist der Text in „Oft gefragt“ laut Aussagen von Sänger Henning May an seinem Vater adressiert. Allerdings passt der wunderschöne Text auch als Liebeserklärung an die Mutter. „Pocahontas“ geht vielleicht in eine ähnliche Richtung, ist allerdings rockiger und macht sogar Spaß beim Zuhören. Aktueller Favorit ist übrigens das nachfolgende „Es geht mir gut“, welches angenehm rockig daherkommt, und einen schmunzelnden Songtext bietet. Der nächste Song „3. Stock“ geht dann wieder in eine ganz andere Richtung. Auf einmal wird es romantisch-melancholisch, gar schwermütig bis depressiv. Es ist eine Herzschmerz-Ballade – aber keineswegs eine flache sondern zutiefst aufrichtige! Ich hab beim ersten Hören des Liedes sofort eine Gänsehaut und feuchte Augen bekommen. Dieser Song geht unter die Haut – er strotzt nur voller Sehnsucht und Melancholie. Jeder, der eine derartige Zeit schon mal durch gelebt hat, wird von diesem Song auf tiefste berührt sein. Solche Musik ist einfach Balsam für die Seele.

Mein persönliches Highlight ist aber immer noch seit langem das berühmt berüchtigte „Barfuß am Klavier“. Dies ist eines der besten auf Deutsch gesungen Lieder die ich in letzter Zeit kennen lernen durfte. Der Text ist geradezu sehnsüchtig und herzerweichend („… Ich träum dabei von Dir…“) – einfach ein fabelhaftes Liebeslied. Hinzu kommt noch der schöne, wohlige Klang des Klaviers und fertig ist der Ohrwurm des Jahres! Ich konnte den Song eine Zeit lang gar nicht oft genug hören. Auf Klavier spielen kann ich das Lied auch – nur nicht so schön. Jetzt an dieser Stelle jeden einzelnen Song durchzusprechen würde sicher den Rahmen sprengen – die Songs sind bekannt und ihr kennt und liebt diese sowieso genau so wie ich. ;-) Mittlerweile haben sich auch alle Songs in mein Gedächtnis eingebrannt und ich singe diese laut und fehlerfrei mit – solche Musik muss einfach laut gehört werden und dazu muss einfach laut mitgesungen werden. Selbst Songs wie „Neues Zimmer“ oder „Länger bleiben“, die ich anfangs nicht so toll fand, sind inzwischen ganz angenehm. Anfangs fand ich beispielsweise den Song „Das Krokodil“ schwach, gar nervig, er entwickelte sich dann aber doch zu einem Ohrwurm der Spaß machte („Das Krokodil raucht zu viel“ – lassen wir das…). Er soll auch live sehr gut rüberkommen. 


Kommen wir jetzt aber zu meinem großen Kritikpunkt: Der Produktion. Was war ich von der Abmischung des Albums enttäuscht. Man hat hier viel zu übervorsichtig agiert, vieles einfach weichgewaschen. Man könnte fast von „Verschlimmbesserung“ sprechen, und genau so ist es! Besonders die raue und markante Stimme von Henning May wurde hier schlichtweg glattgebügelt, was mehr als Schade ist (wer die Band live gesehen hat und die YouTube-Videos kennt, weiß wovon ich rede...). Außerdem wurden an einigen Stellen kleine Änderungen vorgenommen. Das an sich großartige „Oft gefragt“ ist plötzlich mehrere Sekunden länger, „Barfuß am Klavier“ hat einen leicht veränderten Text und die Tonlagen sind meist andere. Vielleicht wollte man damit die Songs auch ein Stück weit kommerzieller ausrichten – ich weiß es nicht. Bitte versteht mich nicht falsch, AnnenMayKantereit sind eine tolle Band mit viel Potenzial, aber wirklich zufrieden bin ich mit dem Album nicht. Es repräsentiert nicht sonderlich die Energie und Spannung ihrer Live-Auftritte. Gut, wohlmöglich bin ich auch zu anspruchsvoll. Daher gibt es von mir auch nur 3 von 5 Sternen – leider! 



Die Songs an sich verdienen aber ohne zu zögern 5 von 5 Sternen. Jungs, macht bitte so weiter, bleibt Euch bitte treu und bleibt beim Deutschrock! Ich sehe Euch dann nächstes Jahr auf Tour!!!



(Letzte Bearbeitung am 05.07.2016)

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