Nimm diese Perle!
„Guitar Noir“ ist das zehnte
Album des ehemaligen Genesis-Gitarristen Steve Hackett. Es erschien im Jahr
1993 und ist das erste Album seit dem 1988 erschienenem „Mommentum“. Ich hab
das Album relativ spät entdeckt. Ausgehend von einem Song namens „Take These
Pearls“, ergründete ich dieses Album nach und nach und fand einige wunderbare
Songs darauf. Die wichtigsten Hackett-Alben dachte ich bis dato zu kennen (wie
z.B. „Spectral Mornings“, „Please Don’t Touch“ oder „Darktown“), irrte mich
dann aber sehr. Dieses Werk kann es nämlich getrost mit einigen Klassikern aus
dem Hackett’schem Oeuvre aufnehmen, aber immer der Reihe nach. Das Album lässt
sich im Prinzip in zwei unterschiedliche Seiten aufteilen: Da gibt es
einerseits die melancholischen, nachdenklich-träumerischen und teils
akustischen Songs wie „Sierra Quemada“, „There Are Many Sides to the Night“
oder „Walking Away from Rainbows“ und auf der anderen die etwas rockigeren
Songs wie „In the Heart of the City“, „Vampire With a Healthy Appetite“ oder
„Lost in Your Eyes“. Viele der auf dem Album enthaltenden Tracks sind im
Vergleich zu vorherigen Hackett-Songs düsterer und melancholischer. Alleine
schon das Albumcover lässt darauf hinweisen. Dieses wurde, wie bis 2006 üblich,
von Steves Exfrau Kim Poor entworfen. Für mich ist es eins ihrer besten Werke.
Von „Guitar Noir“ gab seinerzeit
zwei verschiedene Versionen: Die US-Version beinhaltete das Hackett-Stück
„Cassandra“, wohingegen die UK-Version stattdessen den Song „Theater of Sleep“
beinhaltete.
Die US-Version des Albums hatte
dabei folgende Aufteilung der Songs [1]:
1 Lost In Your Eyes [Hackett, Dave „Taif“ Ball, Julian
Colbeck, Hugo Degenhardt]
2 In The Heart Of The City [Hackett]
3 Sierra Quemada [Hackett]
4 Vampyre With A Healthy Appetite
5 Take These Pearls [Hackett, Friedman]
6 Little America [Hackett, Dave „Taif“ Ball, Julian Colbeck,
Hugo Degenhardt]
7 There Are Many Sides To The Night [Hackett]
8 Walking Away From Rainbows [Hackett]
9 Like An Arrow [Hackett]
10 Dark As The Grave [Hackett, Friedman]
11 Paint Your Picture [Hackett]
12 Tristesse [Friedman]
13 Cassandra [Hackett]
Die ursprüngliche europäische
Variante, sowie die Remaster-Version* hat eine etwas andere Reihenfolge [2]:
1 Sierra Quemada [Instrumental] (5:17)
2 Take These Pearls (4:14)
3 There Are Many Sides To The Night (7:22*)
4 In The Heart Of The City (4:34)
5 Dark As The Grave (4:37)
6 Lost In Your Eyes (4:56)
7 Little America (4:54)
8 Like An Arrow (2:50)
9 Theatre Of Sleep (3:03)
10 Walking Away From Rainbows [Instrumental] (3:09)
11 Paint Your Picture (2:57)
12 Vampyre With A Healthy Appetite (5:29)
13 Tristesse [Instrumental] (4:00)
Die remasterte Version von 1997,
sowie die Wiederveröffentlichung von 2013, beinhalten zudem eine etwas längere
Version von „There Are Many Sides To The Night“. Diese ist 7:22 Minuten lang,
sodass das Album auf eine Gesamtspieldauer von über 57 Minuten kommt.
Folgende Musiker waren an „Guitar
Noir“ beteiligt [3-6]:
·
Steve Hackett: lead
and backing vocals, guitar, harmonica, Stepp, rainstick
·
Aron Friedman:
keyboards and programming on „Take These Pearls“, „Dark As The Grave“ and
„Tristesse“, keyboards and string arrangement on „Like An Arrow“
·
Julian Colbeck:
keyboards on „Sierra Quemada“, „Lost In Your Eyes“, „Little America“, „In The
Heart Of The City“, and „Vampyre With A Healthy Appetite“
·
Dave „Taif“ Ball:
bass on „Sierra Quemada“, „Lost In Your Eyes“, „Little America“, „In The Heart
Of The City“, and „Vampyre With A Healthy Appetite“
·
Hugo Degenhardt:
drums on „Sierra Quemada“, „Lost In Your Eyes“, „Little America“, „In The Heart
Of The City“, and „Vampyre With A Healthy Appetite“
·
Billy Budis: backing
vocals on „Paint Your Picture“
Die Songs „Sierra Quemada“, „Lost
In Your Eyes“, „Little America“, „In The Heart Of The City“, und „Vampyre With
A Healthy Appetite“ wurden, wie man der Liste entnehmen kann, mit Julian
Colbeck an den Keyboards, Hugo Degenhardt an den Drums und Dave
„Taif“ Ball an der Bassgitarre aufgenommen. Die restlichen Songs entstanden
in Zusammenarbeit mit Aron Friedman.
Eröffnet wird das Album von einem
Instrumental namens „Sierra Quemada“. Sehnsuchtsvolle Gitarrenlinien,
begleitet von einem dezenten, elegischen Keyboardspiel gleiten durch den Raum
und erfassen einem in dieser unnachahmlichen Melancholie mit voller Wucht. Das
Gitarrenspiel ist ähnlich wie bei „Spectral Mornings“ einfach göttlich. Mir
standen die Tränen in den Augen als ich es zum ersten Mal hörte, denn es so ein
intimes, verzücktes Stück – man möchte gar nicht das es aufhört. Erwähnenswert
ist auch die schöne Liveversion auf der „Somewhere in South America: Live in
Buenos Aires“, welche mit Steves aktueller Bandbesetzung gespielt wurde.
„Take These Pearls“ ist
ein wunderschöner Song, der gerade durch diese leicht erdrückend melancholische
und mediterrane Atmosphäre sehr gut wirkt. Das Einsetzen eines Drumcomputers
anstelle eines richtigen Schlagzeugs kann man als langweilig werten, aber
gerade dadurch wird eine gewisse Neugier geweckt. Unfreiwillig hörte ich
allerdings Parallelen zu „Lead a Normal Life“ von PG III heraus. Aber
das macht nichts. Gut finde ich, dass Steve in diesen Song sparsam aber dafür
effektiv arrangiert hat. Die E-Gitarre ist dezent im Hintergrund zuhören, aber
dafür spielt er die Akustik-Gitarre und erzeugt damit solch wunderbare
sehnsüchtige Klänge. Den Gesang kann man als „ordentlich“ beschreiben. Dass Steve
Hackett sich gesangstechnisch gesteigert hat, hört man ja auf seinen letzten
Soloalben. Dennoch würde ich diesen keineswegs als Minuspunkt werten wollen.
Insgesamt haben wir es der Tat einer versteckten Perle zu tun, die ich selbst
immer gerne ein wenig vernachlässige.
Das Album ist teilweise richtig schwermütig
und viele Songs sind ziemlich atmosphärisch und dicht. Der nächste Song „There
Are Many Sides to the Night“ ist ein Paradebeispiel dafür arbeitet mit fast
schon bedrückend-schönen Stimmungen. Es ist ein perfekter Song für verregnete
Herbsttage – für einen melancholischen Menschen wie mich genau das richtige. Es
ist an sich ein sehr zerbrechlicher Song. Mit dem einfühlsamen Text hat Mr.
Hackett ein Meisterwerk erschaffen. Der Gesang stört auch hier keineswegs. Die
erste Strophe erzählt er ja mehr oder weniger, dafür aber recht unaufgeregt und
neutral. Zum Schluss singt man dann sowieso zusammen mit Steve sehnsuchtsvoll
„There Are Many Sides to the Night…“. Abgesehen vom großartigen Text ist die
Musik drum herum einfach wundervoll. Das zweieinhalbminütige Intro ist mit
diesen herrlichen Streichern und Steves Gitarre sehr atmosphärisch. Die
Strophen werden in dann angenehm von Steve an der Akustikgitarre unterstützt
ehe es zum Schluss wieder ästhetisch-orchestral zugeht. Wohl wahr, ziemlich
ergreifend dieser Song. Ich mich in diesen Song sofort verliebt. „There Are
Many Sides to the Night“ kann getrost als einer seiner besten Songs gezählt
werden.
Nachdem man über 16 Minuten lang
in elegisch-träumerischen Songs dahinschwebte, wird man mit „In the Heart of
the City“ das erste Mal aus seinem Traum geweckt – dafür allerdings nicht zu
unsanft. Der Song fängt interessant an, und wird zwischen den Strophen
ungewöhnlich rockig, ehe es atmosphärisch weitergeht und schließlich
Der fieberhaft-wirbelige
Instrumentalteil schließt an die Klangmalereien der ersten drei Songs an und
erinnert mich ein wenig an Pink Floyd. Auch hier schafft es Steve wieder eine
dichte Stimmung zu erzeugen und den Hörer mit seinen bunten Collagen
mitzureißen. „In the Heart of the City“ mag auf den ersten Blick etwas hektisch
daherkommen, ist aber in Wirklichkeit ein sehr fantasievolles Stück Musik.
Das darauffolgende „Dark As
the Grave“ kann man mehr als eine Klangcollage als ein Song bezeichnen. Es
gibt ungewöhnliche Percussions, Steves herrliche Akustikgitarre, atmosphärische
Klangteppiche auf dem Keyboard, Piano, und epische Chöre zu hören. Dazu gesellt
Steves unaufgeregter Gesang. Zum Schluss lässt Mr. Hackett noch seine E-Gitarre
spielen, welche von wunderbaren Streichern untermalt wird und somit an das
Intro von „There Are Many Sides to the Night“ erinnert. Auch wenn das Stück
vielleicht nicht ganz an das Niveau der
ersten vier Songs anknüpfen kann, passt es dennoch von Stimmung her wunderbar
auf das Album.
„Lost in Your Eyes“ ist
ein für Hackett typischer Ausflug in den Blues-Rock. Das Stück ist im Vergleich
zu den anderen Songs komplett anders und passt in meinen Augen auch nicht
wirklich auf dieses filigrane Album. Als störend empfinde ich dieses Mal nicht
nur das blöde Motiv, sondern auch Steves Gesang. Obwohl Inzwischen ich mich mit
dem Song abgefunden habe und nicht mehr so schlimm wie einst finde, kann einem
der Songs durchaus auf die Nerven gehen.
„Little Amerika“ zählt
dagegen wieder zu den angenehmeren Songs des Albums. Anfangs empfand ich den
Song als ziemlich belanglos. Mit der Zeit hab wurde das Lied aber immer besser.
Es ist ein leicht romantischer, sorgenloser Song. Vielleicht ist er etwas zu
luftig, aber es geht noch. Die Bridge finde ich dann aber sehr gelungen. Im
Prinzip ist dies Lied ein gutes Beispiel dafür, dass Hackettsongs auch im Radio
laufen könnten und dort wohlmöglich auch auf Zuspruch finden würden. Einen
gewissen „Ohrwurmcharakter“ hat „Little America“ ja.
Das darauffolgende „Like an
Arrow“ ist dagegen wieder wie auch schon „There Are Many Sides to the Night“
oder „Dark As the Grave“ sehr melancholisch und atmosphärisch. Dazu passt der
schwermütige Text gut, welchen Steve angenehm zu vertonen weiß. Die Musik
stammt nur von Steves Akustikgitarre, sowie herrlich elegische, orchestrale Keyboard-Sounds.
Der Song ist mit seinen 2:50 Minuten recht kurz, passt aber super auf dieses
Album.
Mit „Theatre of Sleep“ folgt
ein weiteres, recht kurzes Lied. Der Song beginnt ist mit seinen Pizzicato-Strings
recht interessant, ist dann aber im weiteren Verlauf etwas zu belanglos und
kann mit dem Großteil des Albums einfach nicht mithalten. Mir fehlt einfach die
Magie, wie man sie z.B. auf „Take These Pearls“ finden kann. Für Abwechslung
sorgt allerdings das Klarinetten-Solo im Mittelteil. Danach wird es wieder
schwermütig…
„Walking Away from Rainbows“
gehört wie auch „Sierra Quemada“ oder „There Are Many Sides to the Night“ zu
den melancholischen Songs. Das Instrumental ist ein gutes Beispiel dafür, dass
man auch ohne Gesang viel erreichen kann (wie so oft bei Hackett, oder?).
Leider ist das Stück von den oben genannten das deutlich schwächere, denn im
Prinzip ist dieses zugegebenermaßen sehr atmosphärische Stück Musik nichts
anderes als ein Jam. „Walking Away from Rainbows“ fängt zwar interessant an,
verliert sich aber durch die ständige Wiederholung des Eingangsthemas und wirkt
daher leider substanzlos.
Als nächstes folgt mit „Paint
Your Picture“ ein akustisches Stück. Neben Steve Hackett ist hier auch noch
Billy Budis als Hintergrundsänger zu hören. Der Text handelt von der Absicht
eines Liebenden, seinen Partner künstlerisch darzustellen. Man könnte das Stück
als „ganz nett“ abstempeln, mir ist es einfach zu belanglos.
„Vampire With a Healthy
Appetite“ bedient danach wieder die rockige Seite des Albums. Wie der Titel
schon vorahnen lässt, gibt es etwas klischeehaft lauter „Phantom der Oper“ –
Sounds zu hörn. Zudem beeindruckt Mr. Hackett durch einen düsteren Sprechgesang.
Dieser ist allerdings stellenweise etwas gewöhnungsbedürftig. Durch die
furiosen Instrumentalteile entsteht ein recht experimentellerer Song, der mit
Dauer auch nervig sein kann.
Zum Abschluss gibt es ein
Instrumental, welches die vorherrschende Stimmung des Albums noch einmal
exzellent wiedergibt. „Tristesse“ (französisch für „Betrübnis“) ist das
einzige Stück des Albums, welches nicht von Steve Hackett geschrieben wurde.
Komponiert wurde es vom Keyboarder Aron Friedman. Wie der Name schon
vermuten lässt, ist dieses Instrumental sehr melancholisch, fast schon traurig
und niederschmetternd. Es besteht nur aus den atmosphärischen Keyboards und dem
hervorragenden Klavierspiel von Friedman sowie der schwermütig-singenden
Gitarre von Hackett. „Tristesse“ bildet einen würdigen Abschluss des
Albums. Das Stück ähnelt dem Opener „Sierra Quemada“, wodurch ein in
sich sehr geschlossenes Album entsteht.
ZUSAMMENFASSUNG
„Guitar Noir“ ist ein sehr
ausgewogenes Album, es enthält sowohl sanftmütige bis schwermütige Stücke, von
denen drei rein instrumental sind, und es gibt einige rockige(re) Songs. Das
Album fängt dank Songs wie „Sierra Quemada“ oder „There Are Many Sides to the
Night“ sehr stark an - Steve präsentiert uns einige wirklich wundervolle Songs
-, ehe es zum Ende des Albums etwas abflacht. Songs wie „Theatre of Sleep“ oder
„Paint Your Picture“ haben zwar allesamt gute Ansätze und fangen interessant
an, sind dann aber letztendlich zu belanglos. Ähnlich sieht es mit dem
instrumentellen „Walking Away from Rainbows“ aus, welches schöne Melodien und
Akkordfolgen bietet, letztendlich aber etwas substanzlos ist. Richtig gut wird
das Album wieder mit dem abschließenden „Tristesse“, welches an die ersten
Songs anknüpfen kann und dem Album somit einen würdigen Abschluss bietet. Dennoch
ist „Guitar Noir“ ein ganz ordentliches und stimmiges Album. Ich mag es selbst
sehr und zähle es zu meinen persönlichen Top 5 – Hackett-Alben.
Quellenangaben
6. Steve Hackett:
Guitar Noir CD booklet
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