Freitag, 1. April 2016

Steve Hackett: Guitar Noir (1993)


Nimm diese Perle!

„Guitar Noir“ ist das zehnte Album des ehemaligen Genesis-Gitarristen Steve Hackett. Es erschien im Jahr 1993 und ist das erste Album seit dem 1988 erschienenem „Mommentum“. Ich hab das Album relativ spät entdeckt. Ausgehend von einem Song namens „Take These Pearls“, ergründete ich dieses Album nach und nach und fand einige wunderbare Songs darauf. Die wichtigsten Hackett-Alben dachte ich bis dato zu kennen (wie z.B. „Spectral Mornings“, „Please Don’t Touch“ oder „Darktown“), irrte mich dann aber sehr. Dieses Werk kann es nämlich getrost mit einigen Klassikern aus dem Hackett’schem Oeuvre aufnehmen, aber immer der Reihe nach. Das Album lässt sich im Prinzip in zwei unterschiedliche Seiten aufteilen: Da gibt es einerseits die melancholischen, nachdenklich-träumerischen und teils akustischen Songs wie „Sierra Quemada“, „There Are Many Sides to the Night“ oder „Walking Away from Rainbows“ und auf der anderen die etwas rockigeren Songs wie „In the Heart of the City“, „Vampire With a Healthy Appetite“ oder „Lost in Your Eyes“. Viele der auf dem Album enthaltenden Tracks sind im Vergleich zu vorherigen Hackett-Songs düsterer und melancholischer. Alleine schon das Albumcover lässt darauf hinweisen. Dieses wurde, wie bis 2006 üblich, von Steves Exfrau Kim Poor entworfen. Für mich ist es eins ihrer besten Werke.

Von „Guitar Noir“ gab seinerzeit zwei verschiedene Versionen: Die US-Version beinhaltete das Hackett-Stück „Cassandra“, wohingegen die UK-Version stattdessen den Song „Theater of Sleep“ beinhaltete.  

Die US-Version des Albums hatte dabei folgende Aufteilung der Songs [1]:

1          Lost In Your Eyes [Hackett, Dave „Taif“ Ball, Julian Colbeck, Hugo Degenhardt]
2          In The Heart Of The City [Hackett] 
3          Sierra Quemada [Hackett]    
4          Vampyre With A Healthy Appetite
5          Take These Pearls [Hackett, Friedman]        
6          Little America [Hackett, Dave „Taif“ Ball, Julian Colbeck, Hugo Degenhardt]   
7          There Are Many Sides To The Night [Hackett]       
8          Walking Away From Rainbows [Hackett]   
9          Like An Arrow [Hackett]     
10        Dark As The Grave [Hackett, Friedman]     
11        Paint Your Picture [Hackett]
12        Tristesse [Friedman]
13        Cassandra [Hackett]

Die ursprüngliche europäische Variante, sowie die Remaster-Version* hat eine etwas andere Reihenfolge [2]:

1          Sierra Quemada [Instrumental] (5:17)
2          Take These Pearls (4:14)
3          There Are Many Sides To The Night (7:22*)
4          In The Heart Of The City (4:34)
5          Dark As The Grave (4:37)
6          Lost In Your Eyes (4:56)
7          Little America (4:54)
8          Like An Arrow (2:50)
9          Theatre Of Sleep (3:03)
10        Walking Away From Rainbows [Instrumental] (3:09)
11        Paint Your Picture (2:57)
12        Vampyre With A Healthy Appetite (5:29)
13        Tristesse [Instrumental] (4:00)

Die remasterte Version von 1997, sowie die Wiederveröffentlichung von 2013, beinhalten zudem eine etwas längere Version von „There Are Many Sides To The Night“. Diese ist 7:22 Minuten lang, sodass das Album auf eine Gesamtspieldauer von über 57 Minuten kommt.

Folgende Musiker waren an „Guitar Noir“ beteiligt [3-6]:

·         Steve Hackett: lead and backing vocals, guitar, harmonica, Stepp, rainstick
·         Aron Friedman: keyboards and programming on „Take These Pearls“, „Dark As The Grave“ and „Tristesse“, keyboards and string arrangement on „Like An Arrow“
·         Julian Colbeck: keyboards on „Sierra Quemada“, „Lost In Your Eyes“, „Little America“, „In The Heart Of The City“, and „Vampyre With A Healthy Appetite“
·         Dave „Taif“ Ball: bass on „Sierra Quemada“, „Lost In Your Eyes“, „Little America“, „In The Heart Of The City“, and „Vampyre With A Healthy Appetite“
·         Hugo Degenhardt: drums on „Sierra Quemada“, „Lost In Your Eyes“, „Little America“, „In The Heart Of The City“, and „Vampyre With A Healthy Appetite“
·         Billy Budis: backing vocals on „Paint Your Picture“

Die Songs „Sierra Quemada“, „Lost In Your Eyes“, „Little America“, „In The Heart Of The City“, und „Vampyre With A Healthy Appetite“ wurden, wie man der Liste entnehmen kann, mit Julian Colbeck an den Keyboards, Hugo Degenhardt an den Drums und Dave „Taif“ Ball an der Bassgitarre aufgenommen. Die restlichen Songs entstanden in Zusammenarbeit mit Aron Friedman.

Eröffnet wird das Album von einem Instrumental namens „Sierra Quemada“. Sehnsuchtsvolle Gitarrenlinien, begleitet von einem dezenten, elegischen Keyboardspiel gleiten durch den Raum und erfassen einem in dieser unnachahmlichen Melancholie mit voller Wucht. Das Gitarrenspiel ist ähnlich wie bei „Spectral Mornings“ einfach göttlich. Mir standen die Tränen in den Augen als ich es zum ersten Mal hörte, denn es so ein intimes, verzücktes Stück – man möchte gar nicht das es aufhört. Erwähnenswert ist auch die schöne Liveversion auf der „Somewhere in South America: Live in Buenos Aires“, welche mit Steves aktueller Bandbesetzung gespielt wurde.

„Take These Pearls“ ist ein wunderschöner Song, der gerade durch diese leicht erdrückend melancholische und mediterrane Atmosphäre sehr gut wirkt. Das Einsetzen eines Drumcomputers anstelle eines richtigen Schlagzeugs kann man als langweilig werten, aber gerade dadurch wird eine gewisse Neugier geweckt. Unfreiwillig hörte ich allerdings Parallelen zu „Lead a Normal Life“ von PG III heraus. Aber das macht nichts. Gut finde ich, dass Steve in diesen Song sparsam aber dafür effektiv arrangiert hat. Die E-Gitarre ist dezent im Hintergrund zuhören, aber dafür spielt er die Akustik-Gitarre und erzeugt damit solch wunderbare sehnsüchtige Klänge. Den Gesang kann man als „ordentlich“ beschreiben. Dass Steve Hackett sich gesangstechnisch gesteigert hat, hört man ja auf seinen letzten Soloalben. Dennoch würde ich diesen keineswegs als Minuspunkt werten wollen. Insgesamt haben wir es der Tat einer versteckten Perle zu tun, die ich selbst immer gerne ein wenig vernachlässige.

Das Album ist teilweise richtig schwermütig und viele Songs sind ziemlich atmosphärisch und dicht. Der nächste Song „There Are Many Sides to the Night“ ist ein Paradebeispiel dafür arbeitet mit fast schon bedrückend-schönen Stimmungen. Es ist ein perfekter Song für verregnete Herbsttage – für einen melancholischen Menschen wie mich genau das richtige. Es ist an sich ein sehr zerbrechlicher Song. Mit dem einfühlsamen Text hat Mr. Hackett ein Meisterwerk erschaffen. Der Gesang stört auch hier keineswegs. Die erste Strophe erzählt er ja mehr oder weniger, dafür aber recht unaufgeregt und neutral. Zum Schluss singt man dann sowieso zusammen mit Steve sehnsuchtsvoll „There Are Many Sides to the Night…“. Abgesehen vom großartigen Text ist die Musik drum herum einfach wundervoll. Das zweieinhalbminütige Intro ist mit diesen herrlichen Streichern und Steves Gitarre sehr atmosphärisch. Die Strophen werden in dann angenehm von Steve an der Akustikgitarre unterstützt ehe es zum Schluss wieder ästhetisch-orchestral zugeht. Wohl wahr, ziemlich ergreifend dieser Song. Ich mich in diesen Song sofort verliebt. „There Are Many Sides to the Night“ kann getrost als einer seiner besten Songs gezählt werden.

Nachdem man über 16 Minuten lang in elegisch-träumerischen Songs dahinschwebte, wird man mit „In the Heart of the City“ das erste Mal aus seinem Traum geweckt – dafür allerdings nicht zu unsanft. Der Song fängt interessant an, und wird zwischen den Strophen ungewöhnlich rockig, ehe es atmosphärisch weitergeht und schließlich
Der fieberhaft-wirbelige Instrumentalteil schließt an die Klangmalereien der ersten drei Songs an und erinnert mich ein wenig an Pink Floyd. Auch hier schafft es Steve wieder eine dichte Stimmung zu erzeugen und den Hörer mit seinen bunten Collagen mitzureißen. „In the Heart of the City“ mag auf den ersten Blick etwas hektisch daherkommen, ist aber in Wirklichkeit ein sehr fantasievolles Stück Musik.

Das darauffolgende „Dark As the Grave“ kann man mehr als eine Klangcollage als ein Song bezeichnen. Es gibt ungewöhnliche Percussions, Steves herrliche Akustikgitarre, atmosphärische Klangteppiche auf dem Keyboard, Piano, und epische Chöre zu hören. Dazu gesellt Steves unaufgeregter Gesang. Zum Schluss lässt Mr. Hackett noch seine E-Gitarre spielen, welche von wunderbaren Streichern untermalt wird und somit an das Intro von „There Are Many Sides to the Night“ erinnert. Auch wenn das Stück vielleicht nicht ganz  an das Niveau der ersten vier Songs anknüpfen kann, passt es dennoch von Stimmung her wunderbar auf das Album.

„Lost in Your Eyes“ ist ein für Hackett typischer Ausflug in den Blues-Rock. Das Stück ist im Vergleich zu den anderen Songs komplett anders und passt in meinen Augen auch nicht wirklich auf dieses filigrane Album. Als störend empfinde ich dieses Mal nicht nur das blöde Motiv, sondern auch Steves Gesang. Obwohl Inzwischen ich mich mit dem Song abgefunden habe und nicht mehr so schlimm wie einst finde, kann einem der Songs durchaus auf die Nerven gehen.

„Little Amerika“ zählt dagegen wieder zu den angenehmeren Songs des Albums. Anfangs empfand ich den Song als ziemlich belanglos. Mit der Zeit hab wurde das Lied aber immer besser. Es ist ein leicht romantischer, sorgenloser Song. Vielleicht ist er etwas zu luftig, aber es geht noch. Die Bridge finde ich dann aber sehr gelungen. Im Prinzip ist dies Lied ein gutes Beispiel dafür, dass Hackettsongs auch im Radio laufen könnten und dort wohlmöglich auch auf Zuspruch finden würden. Einen gewissen „Ohrwurmcharakter“ hat „Little America“ ja.

Das darauffolgende „Like an Arrow“ ist dagegen wieder wie auch schon „There Are Many Sides to the Night“ oder „Dark As the Grave“ sehr melancholisch und atmosphärisch. Dazu passt der schwermütige Text gut, welchen Steve angenehm zu vertonen weiß. Die Musik stammt nur von Steves Akustikgitarre, sowie herrlich elegische, orchestrale Keyboard-Sounds. Der Song ist mit seinen 2:50 Minuten recht kurz, passt aber super auf dieses Album.

Mit „Theatre of Sleep“ folgt ein weiteres, recht kurzes Lied. Der Song beginnt ist mit seinen Pizzicato-Strings recht interessant, ist dann aber im weiteren Verlauf etwas zu belanglos und kann mit dem Großteil des Albums einfach nicht mithalten. Mir fehlt einfach die Magie, wie man sie z.B. auf „Take These Pearls“ finden kann. Für Abwechslung sorgt allerdings das Klarinetten-Solo im Mittelteil. Danach wird es wieder schwermütig…

„Walking Away from Rainbows“ gehört wie auch „Sierra Quemada“ oder „There Are Many Sides to the Night“ zu den melancholischen Songs. Das Instrumental ist ein gutes Beispiel dafür, dass man auch ohne Gesang viel erreichen kann (wie so oft bei Hackett, oder?). Leider ist das Stück von den oben genannten das deutlich schwächere, denn im Prinzip ist dieses zugegebenermaßen sehr atmosphärische Stück Musik nichts anderes als ein Jam. „Walking Away from Rainbows“ fängt zwar interessant an, verliert sich aber durch die ständige Wiederholung des Eingangsthemas und wirkt daher leider substanzlos.

Als nächstes folgt mit „Paint Your Picture“ ein akustisches Stück. Neben Steve Hackett ist hier auch noch Billy Budis als Hintergrundsänger zu hören. Der Text handelt von der Absicht eines Liebenden, seinen Partner künstlerisch darzustellen. Man könnte das Stück als „ganz nett“ abstempeln, mir ist es einfach zu belanglos.

„Vampire With a Healthy Appetite“ bedient danach wieder die rockige Seite des Albums. Wie der Titel schon vorahnen lässt, gibt es etwas klischeehaft lauter „Phantom der Oper“ – Sounds zu hörn. Zudem beeindruckt Mr. Hackett durch einen düsteren Sprechgesang. Dieser ist allerdings stellenweise etwas gewöhnungsbedürftig. Durch die furiosen Instrumentalteile entsteht ein recht experimentellerer Song, der mit Dauer auch nervig sein kann.

Zum Abschluss gibt es ein Instrumental, welches die vorherrschende Stimmung des Albums noch einmal exzellent wiedergibt. „Tristesse“ (französisch für „Betrübnis“) ist das einzige Stück des Albums, welches nicht von Steve Hackett geschrieben wurde. Komponiert wurde es vom Keyboarder Aron Friedman. Wie der Name schon vermuten lässt, ist dieses Instrumental sehr melancholisch, fast schon traurig und niederschmetternd. Es besteht nur aus den atmosphärischen Keyboards und dem hervorragenden Klavierspiel von Friedman sowie der schwermütig-singenden Gitarre von Hackett. „Tristesse“ bildet einen würdigen Abschluss des Albums. Das Stück ähnelt dem Opener „Sierra Quemada“, wodurch ein in sich sehr geschlossenes Album entsteht.

ZUSAMMENFASSUNG

„Guitar Noir“ ist ein sehr ausgewogenes Album, es enthält sowohl sanftmütige bis schwermütige Stücke, von denen drei rein instrumental sind, und es gibt einige rockige(re) Songs. Das Album fängt dank Songs wie „Sierra Quemada“ oder „There Are Many Sides to the Night“ sehr stark an - Steve präsentiert uns einige wirklich wundervolle Songs -, ehe es zum Ende des Albums etwas abflacht. Songs wie „Theatre of Sleep“ oder „Paint Your Picture“ haben zwar allesamt gute Ansätze und fangen interessant an, sind dann aber letztendlich zu belanglos. Ähnlich sieht es mit dem instrumentellen „Walking Away from Rainbows“ aus, welches schöne Melodien und Akkordfolgen bietet, letztendlich aber etwas substanzlos ist. Richtig gut wird das Album wieder mit dem abschließenden „Tristesse“, welches an die ersten Songs anknüpfen kann und dem Album somit einen würdigen Abschluss bietet. Dennoch ist „Guitar Noir“ ein ganz ordentliches und stimmiges Album. Ich mag es selbst sehr und zähle es zu meinen persönlichen Top 5 – Hackett-Alben. 



Quellenangaben

6.      Steve Hackett: Guitar Noir CD booklet

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen